Vom Mars zum Mond und zurück

Für erfahrene Islandreisende mag der Titel einen Sinn ergeben, für alle anderen: Lasst euch mitnehmen auf eine Reise durch Islands Hochland, dem wohl ausserweltlichsten Ort auf Erden. 


Unser Abenteuer nahm seinen Anfang nach zwei Tagen sonnenverwöhntem Sightseeing in Reykjavik … und was für ein Anfang es nahm: 

Das Gefährt, welches sich dem ausgemachten Treffpunkt näherte, war – gelinde gesagt – riesig und glich eher einem Mondlandefahrzeug oder Monstertruck als einem Auto. 

Diesem Koloss entstieg unserer Fahrer Ingi: Im ersten Moment eher kurzangebunden (wie das Eis im Sommer taute er aber im Verlauf der folgenden Tage zunehmend auf), mit englischen Humor ausgestattet (mehr dazu später) und seit Geburt auf dem Planeten Island heimisch.

Nach der Erstbesteigung des Bergs namens Auto rauschten wir davon, wobei alle anderen Verkehrsteilnehmer die Spurbreite bis an die Grenze des Erlaubten ausnutzten, um unserem Koloss zu entgehen (ein Verhalten, das wir in vielfältiger Ausprägungen – vom Ab der Piste fahren bis zum abrupten Anhalten - über die nächsten Tage erlebten).


Kurz nach dem Verlassen der Stadt begann das wandelnde Lexikon Ingi sein Wissen mit uns zu teilen. So erfuhren wir von „falschen Kratern“ oder der Kollision zwischen Lava und einer grossen Menge Wasser, die Vulkankrater-ähnliche Gesteinsformationen hinterliess. Ein Phänomen, das man in Island oder auf dem Mars betrachten kann … Es war der perfekte Startschuss für eine dreitägige Reise auf den wohl einmaligen „Planeten“ Island. 


Eine gewöhnungsbedürftige Seite Islands ist der stetig wiederkehrende Geruch fauler Eier. Und wenn man eine Nase voll des schwefelhaltigen Wasserdampfs abgekriegt hat, will man gar nicht wissen, wie es wohl im Erdinneren riechen mag. Einige wenige, einfach zu merkende Regeln helfen aber schnell über dieses Problem hinweg: 

  • Siehst du Dampf aufsteigen, atme durch den Mund!
  • Stehst du in der Nähe eines solchen Hotspots, achte auf die Windrichtung!
  • Sondertipp für die Warmduscher unter uns: Beim Aufdrehen des Wasserhahns durch den Mund atmen!

Auch wenn der Geruchssinn etwas darunter leiden mag, ein Besuch einer solchen Austrittstelle lohnt sich allemal … das Zischen des Dampfes und die ungewohnte Farbenpracht werden euch sämtliche (anderen) Sinne rauben … 


Manch andere Schätze Islands liegen im Verborgenen … so auch der folgende


Folgt man dem mäandernden Bachlauf für eine geraume Weile, erwischt man das richtige Seitental, schreitet man mutig in die vor einem liegende Höhle und erklimmt zu guter Letzt einige Felsbrocken, so tut sich folgender Anblick auf:  


Einige Orte kann man hingegen schlecht in einem Bild festhalten, denn dieses grüne Tal hat sich wohl für ewige Zeiten in unser Gedächtnis eingebrannt. Nicht nur erstreckte sich dieses leuchtend-saftige Grün kilometerlang, sondern es war ein Ort absoluter Stille. Und an dieser Stelle ist das Wort „absolut“ nicht unbedacht gewählt: Kein Pfeifen des Windes, kein Plätschern des Wassers, keine Tiergeräusche, kein Etwas störte die völlige Abwesenheit von Geräuschen. 



Etwas lauter ging es in Landmanauger zu und her. Kein Wunder, denn es handelt sich um den Touristenmagneten des südlichen Hochlands.

Vom normalen PW bis hin zum jeepartigen Car, von kleinen Ein-Mensch-Zelten bis zu Tipi-artigen Konstruktionen war alles in diesem kleinen „Outdoorsien“ anzutreffen. Darin ging fast schon die zwar karge, aber nichts desto trotz faszinierende Natur unter … aber eben nur fast … 



Hekla war entgegen ihrer Natur etwas schüchtern und verbarg sich während der gesamten Reise hinter einem Wolkenkleid. Die Bilder zeigen daher Ausschnitte aus der schwarzen Wüste, die der Vulkan bei einem seiner vielen Ausbrüche hinterlassen hat. 


Hekla ist wohl der prägendste Vulkan für Island im letzten Jahrhundert. Seine Ausbrüche verändern Land und Landschaft in regelmässigen Abständen. Und das alles bei einer Vorwarnzeit von 30 bis 90 Minuten. Kein Wunder also begrüssen einem grosse Warntafeln, sobald man sich in seine Nähe begibt. 

Umso bewundernswerter ist dafür die Gelassenheit der Isländer – oder wie Ingi meinte – die Fähigkeit aktiv zu verdrängen. Aber nur bis der Vulkan wieder spuckt: Denn dann steigen sie alle in ihre 4x4-Jeeps und gehen Lava-schauen … 



Falls jemand einen weiteren Beweis dafür benötigt, dass Island und die Isländer nicht ganz von dieser Welt sind: Man glaubt hierzulande fest an Feen, Trolle und andere Sagengestalten. Man mag jetzt einfach dem Brennivin die Schuld geben, aber ein Teil der Geschichten hat einen anderen Hintergrund: 

In den harten, alten Zeiten gab es Schafhirten, die den Sommer mit ihren Tieren im Hochland verbrachten. Und dort oben gab es nichts anderes zu tun, als die Landschaft zu betrachten. Und selbst uns ging es nach einigen Tagen so, dass wenn wir lange genug hinsahen, die Sagengestalten erschienen: Der Troll in einer Gesteinsformation, die Elfe in der Spiegelung des Wassers und der Drache im Wolkengebäude. 


Oder seht ihr etwa die sich liebenden Trolle nicht? Händchenhaltend lagen sie auf ihrer Schlafstätte und ob der Schönheit des Sternenhimmels vergassen sie die Zeit. Bis die Sonne sie für alle Ewigkeit zu einem Teil der Landschaft machte. 



Was uns aber am meisten in den Bann zog, waren die Farben. Klar brettert man auch gelegentlich kilometerlang durch grauschwarze Kraterlandschaften, aber dann umkurvt man einen Hügel und vor einem breiten sich Rot-, Grün- und Gelbtöne aus, das einem die Augen wässern. 

Und wenn man mit Ingi unterwegs ist, bleibt erst recht kein Auge trocken. Da fährt man einen Hang hinauf, ein eleganter Schlenzer zum Schluss und man sieht das … 



Und als hätten wir nicht schon genug erlebt, machten wir auf dem Rückweg noch einen kurzen halt in „Island aka Disneyland“. 

Diese Oase mitten im Nirgendwo liegt am Grund eines Tales. Liebevoll gestaltete Wege und hölzerne Brücken laden zum Flanieren zwischen plätschernden Bächen umgeben von zwitschernden Vögeln ein. Und es würde einem nicht wundern, wenn aus einem der Büschen eine Prinzessin angehüpft käme und wie in einem der alten Disneyfilme zum Duett mit den Vögeln anstimmen würde … 



Keine Sorge, wir haben es nicht vergessen: Wir haben euch von Ingis humorvoller Seite berichtet und wollen natürlich die entsprechende Geschichte erzählen. Auf unseren Fahrten durchs Nirgendwo begegneten uns auch der eine oder andere Velofahrer. Und nur damit ihr hier die richtige Vorstellung habt: Das waren Menschen, die dick eingemümmelt, gekrümmt von ihren schweren Lasten, versuchten ihr Mountainbike zwischen spitzen Lavasteinen und knöcheltiefen Flüssen hindurch zu manövrieren.

Ingi teilte unsere Verwunderung über die schwitzenden, rotangelaufenen Verkehrsteilnehmer und meinte: 

„Some of my friends tell me, to try bicycling… it’s so much fun. But you know what? If it is so much fun, why do I never see a cyclist smile?”

Ein Kommentar, den wir in vielfacher Hinsicht wiederverwendeten. Zum Beispiel als der durchnässte Pudel namens Velofahrer vor unserem Koloss stehen blieb und wir gemeinsam bemerkten: „Even after he has stopped, he’s still not smiling …“

Und bei all unserer Fiesheit muss gesagt sein: Bis heute hat das Hochland Islands noch keinen lächelnden Velofahrer gesehen. Dafür könnt ihr - wenn ihr die entlegensten Strässchen befahrt - ab und zu Ingi in seinem Koloss sehen, wie er über Stock und Stein (oder Gletscher oder Lavafeld oder …) mit einem dicken Grinsen im Gesicht dahinrauscht. 

Texte und ein Teil der Bilder von Gastautor Marc. www.realitaetzweinull.ch

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Kommentare: 4
  • #1

    Uschy (Montag, 15 August 2016 22:02)

    Absolut spannend - beim Lesen ist es, als befände ich mich auch in jener Gegend in Island. Ich möchte all dies auch erleben und anschauen. Herzlichen Dank.

  • #2

    Sylke (Dienstag, 16 August 2016 09:30)

    Schön, dass Ihr uns an Eurer tollen Reise teilhaben lasst! Danke für die wunderschönen Fotos.
    Viel Spass Euch und weiterhin eine gute Reise :)

  • #3

    Sandra (Dienstag, 23 August 2016 14:57)

    Toller Bericht und wunderschöne Fotos.
    Ich wünsche Euch weiterhin spannende Ferien und freue mich schon auf die hoffentlich noch folgenden Fotos

  • #4

    Vinc (Freitag, 09 September 2016 10:54)

    Sooo cool! Wunderschöne Bilder und unterhaltsame Texte! Freue mich schon auf weitere Ausführungen und Erzählungen des Gastautors ;)
    Wünsche euch weiterhin viel Spass, tolle Erlebnisse und viele schöne Sujets vor der Linse!